Praxistest: Aerodynamische Lastzüge in der Praxis
In den vergangenen zwei Jahren haben die Unternehmen Boll,
Papstar und DHL aerodynamisch optimierte Lastzüge getestet. Jetzt liegen
Ergebnisse vor - mit überraschenden Verbrauchswerten und interessanten
Rückschlüssen.
Die Nardo-Rekordfahrt mit einem Mercedes Actros
im Jahr 2008 hat vielversprechende Ergebnisse erzielt: Mit 19,44 Liter
pro 100 Kilometer (l/100 km) fuhr der aerodynamisch optimierte Lastzug
ins Guiness-Buch der Rekorde - allerdings unter den klinischen
Bedingungen einer von den meisten äußeren Einflüssen abgeschotteten
Teststrecke. Der Alltag auf der Straße sieht anders aus. Hier gibt es
Staus, mehr oder weniger talentierte Fahrer oder wechselhafte Witterung.
Grund genug für Spediteur Ulrich Boll, den Nardo-Truck, ein Actros
18.41, selbst zu testen. Mit optimierten A-Säulen, dem etwas kleineren
L-Fahrerhaus ohne Anbauten wie Sonnenblende, Hörner und Frontspiegel -
letztere sind durch Kameras ersetzt - sowie mit besonders
Rollwiderstands-armen Reifen rundum samt Supersingle-Bereifung auf der
Antriebsachse ging es auf öffentliche Straßen. Ergänzt wird die
Zugmaschine durch einen Profi-Liner Eco von Krone, der mit
Seitenverkleidung am Fahrgestell und einer Seitenplane ohne
Gurtschlösser daher kommt.
14 Prozent Spritersparnis sind drin
Nach einem halben Jahr verbrauchte der Testzug bei Zuggewichten um 30
Tonnen gerade mal 25,6 l/100 km - eine Ersparnis von rund 14 Prozent.
Der Schnitt im Fuhrpark (MAN TGX
mit XL-Kabine und Mercedes Actros mit L-Kabine) liegt bei 29,2 Liter.
Inzwischen fährt der Testzug gar einen Verbrauch von 24,6 l/100 km ein.
Den größten Beitrag zum verminderten Verbrauch schreibt Boll dem Fahrer
zu: "Ist der Stammfahrer im Urlaub, steigt der Verbrauch sofort an."
Den größten Effekt hat ein motivierter Fahrer
Weniger Einfluss hat die Kabinengröße laut Boll: "Der Vorteil der
L-Kabine gegenüber dem Megaspace-Haus liegt bei etwa einem halben Liter
Diesel." Dass sich hier nur eine verhältnismäßig geringe Differenz
zeigt, führt Boll auch auf die Fahrerpsyche zurück. "Mit der größeren
Kabine wächst die Motivation, Bestleistungen abzuliefern", so seine
Vermutung. Bei Neubestellungen greift der Meppener Spediteur daher
wieder zu den großen Fernverkehrskabinen. Es sei heute schwer genug,
gute Fahrer zu bekommen. Megaspace mit Nardo-Spezifikation heißt deshalb
die Devise.
Auch vom Supersingle ist der Spediteur abgekommen. "Im Winter haben
wir damit Traktionsprobleme", erklärt er. Die Ausrüstung mit
Zwillingsbereifung macht ebenfalls einen Mehrverbrauch von rund einem
halben Liter pro 100 Kilometer aus. Angesichts der teuren Supersingles
sei dies verschmerzbar und das Geld besser in Fahrerschulungen angelegt.
Auch Papstar-Fuhrparkberater Fritz Großart ist vom Sparpotential
geschulter Fahrer überzeugt: "Ab einer Fleetboard-Note von 9,4 wird
trainiert", erklärt er. Im Schnitt lägen die Fahrer bei 9,6 auf der sich
nach unten verschlechternden Notenskala. Im Test läuft ein Actros 18.44
in Nardo-ähnlicher Spezifikation, allerdings mit Sonnenblende. Hinzu
kommt ein optimierter Kofferauflieger von Schmitz Cargobull mit Hutze an
der Stirn, entsprechenden Regenrinnen, Seitenverkleidungen und
Radkappen. Seit Mai 2009 ist der erste Test-Lastzug auf der Straße. Bei
Zuggesamtgewichten um 25 Tonnen liegt der Flottenverbrauch heute bei
24,3 l/100 km.
Inzwischen ist ein Großteil der Flotte mit aerodynamischer Ausrüstung
versehen. Laut Großart fährt die Seitenverkleidung 0,6 l/100 km ein,
0,4 l/100 km der Bugspoiler. Die Effekte der übrigen Maßnahmen bewegten
sich nur im Bereich der Messtoleranz. In Relation zu den Kosten hat sich
die Hutze an der Trailerstirn laut den Erfahrungen von Papstar als
Mittel der Wahl herausgestellt, auch weil sie sich ohne weiteres
nachrüsten lassen.
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